Der SPD-Ortsverein Volkmarode/Dibbesdorf/Schapen im Wandel der Zeit

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Von der Gründung bis zum Dritten Reich

Als am 2. Dezember des Jahres 1895 im Herzogtum Braunschweig eine Volkszählung durchgeführt wurde, gab es in den 3 Dörfern insgesamt 700 Einwohner. Die Dorfbewohner waren überwiegend in der Landwirtschaft beschäftigt, und es fand kein politisches Leben in derart kleinen Dorfgemeinschaften statt. Es dauerte noch einige Jahre, bis auf dem Land eine regelrechte Welle von Arbeitervereinen einsetzte.

Oft genug wurden Landarbeiter sogar massiv an der Wahl sozialdemokratischer Abgeordneter gehindert. Auch in unseren Orten bekamen dies die Sozialdemokraten zu spüren. Bereits im Februar 1910 wurde der Ortsverein Volkmarode durch die Wahl von Heinrich Ehlers zwar nicht gegründet, aber bereits durch die Wählerschaft legitimiert: Bei der Gemeinderatswahl am 11.02.1910 wurde Heinrich Ehlers als zweiter Vertreter der Sozialdemokraten in den Gemeinderat gewählt. Aufgrund einer Wahlbeschwerde des Gemeindevorstehers wurde die Wahl des Anbauers Heinrich Ehlers am 02.04.1910 aufgehoben – der Grund, ein Wähler hatte nicht die braunschweigische Staatsangehörigkeit, obwohl er schon 35 Jahre in Volkmarode wohnte. Die Gründung des Ortsvereines erfolgte am 25.09.1910, und die erste Versammlung war mit 45 Personen außerordentlich gut besucht.

Schon bald nach der Gründung des sozialdemokratischen Arbeitervereins bemühten sich die Mitglieder im Gemeinderat, Mandate zu erringen und bei der folgenden Gemeinderatswahl am 01.04.1911 wurden zwei Sozialdemokraten mit überwältigender Mehrheit in den Gemeinderat gewählt. Wie die große Mehrheit der Braunschweiger Sozialdemokraten, schlossen sich nach der Novemberrevolution auch die Volkmaroder der USPD an und gründeten einen Ortsverein. Über diesen Ortsverein ist wenig bekannt, einzig für März 1919 ist seine Existenz bezeugt. In den nächsten Jahren scheint er eingeschlafen zu sein.

Im März 1926 fand in Volkmarode eine öffentliche SPD-Versammlung statt, in der zur Wiedergründung des SPD-Ortsvereines aufgerufen wurde, leider vergeblich. Wann es zur erneuten Gründung kam, konnte nicht ermittelt werden. In Schapen gab es bis 1928 keinen SPD-Ortsverein. Erst in diesem Jahr gelang die Gründung einer sozialdemokratischen Organisation zusammen mit Weddel, woher auch die meisten Mitglieder kamen.

Mit der bäuerlichen Struktur von Dibbesdorf dürfte der frühe Erfolg der NSDAP in diesem Ort zusammen hängen. Schon 1928, zwei Jahre früher als in den übrigen Orten und auch im Reich, gelang der NSDAP hier mit 34 % der Stimmen der Durchbruch. Bis 1932 konnte sie den Stimmenanteil in Dibbesdorf sogar auf 79 % steigern, während die SPD auf 13 % fiel.

Nach Übernahme der Regierungsgewalt durch die NSDAP und dem Verbot SPD, mussten auch in unseren drei Orten die SPD-Ratsmitglieder ihr Mandat niederlegen. In Schapen mussten Heinrich Poppe, Gustav Kiekenap, Robert Noack sowie Albert Spinn, in Volkmarode Alfred Kortegast, Heinrich Grupe und Ernst Wöhldecke aus dem Gemeinderäten ausscheiden. Über Dibbesdorf liegen keine Angaben vor.

Der SPD-Ortsverein Volkmarode nach dem Wiederbeginn 1945

Wann sich hier in Volkmarode die ersten Sozialdemokraten nach 1945 zur Gründung eines Ortsvereines zusammenfanden, ist leider nicht überliefert. Aber bereits am 13.09.1946 war der Volkmaroder Ortsverein wieder aktiv und veranstaltete eine gut besuchte Mitgliederversammlung in der Gaststätte „Zum Berge“ (heute Berliner Heerstraße 1). Die in Volkmarode schnell wieder erreichte Mitgliederzahl von 25 Mitgliedern konnte in den nächsten Jahren gehalten und gesteigert werden

Am 06.12.1948 wurde Heinrich Grupe zum Bürgermeister gewählt.

In den Wahlen auf kommunaler Ebene wurde der SPD seither immer wieder das Vertrauen der Volkmaroder Bürger/innen ausgesprochen, und so stellte daher die SPD mit Heinrich Grupe (1948-1968) und Walter Stephan (1972-1974) den Bürgermeister, mit Martin Elsner zeitweilig auch den Landrat. Erst am 15.09.1946 fand wieder eine freie demokratische Gemeindewahl statt, wenn auch unter Oberaufsicht der Militärregierung. Seit dem 31.03.1947 fanden wieder regelmäßig Versammlungen statt. In den Nachkriegsjahren wurden mit viel politischem Engagement und überwiegend auf Initiative der Volkmaroder SPD die Interessen der Volkmaroder Bürger erfolgreich durchgesetzt, wie z.B.:

  • 1948 Bau des Kindergarten
  • 1952 Beginn des Schulneubaues an der „Schulstrasse“ (heute Unterdorf)
  • 1954 Neuanlage der Straßenbeleuchtung
  • 1956 Baubeginn der Schmutz- und Regenwasserkanalisation
  • 1960 Ausbau des Ortsstraßennetzes

Die monatlichen Mitgliederversammlungen in den 50er und 60er Jahren waren stets gut besucht und befassten sich im Wechsel mit unterschiedlichen Themen wie z.B. Entwicklung der Partei, Fragen der Landes- und Bundespolitik, Vorbereitung von Wahlen und Fragen zur Kommunalpolitik. Bereits Mitte der 1960er Jahre spielte der Ortsverein eine wichtige Rolle im Unterbezirk Braunschweig-Land.

Im Ortsverein fand Ende der 1960er Jahre und Anfang der 1970er Jahre ein ungeheurerer Aufschwung statt. Die Zahl der Parteimitglieder nahm seit Ende der 60er Jahre im Ortsverein stark zu. Bis zum Zusammenschluss der Ortsvereine Volkmarode-Dibbesdorf-Schapen im Jahr 1974 wurden 28 neue Mitglieder in den Ortsverein aufgenommen.

Im März 1972 würdigte die Gemeinde Schapen Albert Spinn durch die Verleihung des Ehrenbürgerbriefes. Seit mehr als 50 Jahren war er SPD Mitglied und gehörte dem Gemeinderat von 1922-1933 von 1945-1964 und abschließend von 1971/72 an.

Von der Gebietsreform bis 1990

Starke Veränderungen auf verwaltungspolitischem Gebiet hat die Gebietsreform für die Stadt Braunschweig gebracht. Am 28. 02 1974 wurde der Landkreis, der die Stadt Braunschweig seit 1832 umgeben hatte, aufgelöst. Um eine bessere Basisarbeit innerhalb der SPD in der Ortschaft Volkmarode zu gewährleisten, schlossen sich die früher selbständigen Ortsvereine Volkmarode-Dibbesdorf-Schapen am 10.03.1974 zu einem großen Ortsverein zusammen. Dieser Zusammenschluss hat sich bis heute bewährt, da sich die Stadtbezirksratgrenzen mit denen der Ortsvereinsgrenzen decken. Dies hat den Vorteil, dass die Hoheit zur Aufstellung der Kandidaten für den Stadtbezirksrat allein beim Ortsverein liegt. Seit 1975 gehörte der Ortsverein mit über 90 Mitgliedern zu einem der größten und aktivsten Ortsvereine in Braunschweig., der Ortsverein spielte auch im Unterbezirk weiterhin eine große Rolle: So wurde Ingrid Grabenhorst 1985/1987 und 2002 Martina Sawalski in den Unterbezirksvorstand gewählt. Die bis heute im Stadtbezirksrat vertretenden Sozialdemokraten setzten sich engagiert seit 1973 bis heute, insbesondere für den „Ausbau Radweg Schapen/Volkmarode“, „Baugebiet Volkmarode-Nord“ (seit 1974) und „Stadtbahn Volkmarode“ (seit 1973) ein.

Von den 90er bis zum Jubiläumsjahr 2010

Eine der größten Veranstaltungen des SPD-Ortsvereines war das Gastspiel des Kabaretts der Stadt Magdeburg „Die Kugelblitze“ am 28.04.1990, mit über 500 Besuchern. In Zusammenarbeit mit der Industrie-und Handelskammer initierte und gestaltete der Ortsverein am 04.10.1990 stadtweit eine Infoveranstaltung zum Thema „Vermeidung von Verpackungsmüll“. Zum 80jährigen Bestehen des Ortsvereines am 12.10.1990 präsentierte der Ortsverein eine Chronik, die den geschichtlichen und kommunalpolitischen Werdegang des Ortsvereines von 1910-1990 aufzeigte.

In einer Mitgliederbefragung, die am 13.06.1993 in allen Ortsvereinen durchgeführt wurde und über den Parteivorsitz entscheiden sollten, stellten sich Rudolf Scharping, Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Bundesweit lag Rudolf Scharping bei der Mitgliederbefragung vorne und wurde dann auch vom Bundesparteitag zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt. Dafür hatte der SPD-Ortsverein ein Wahllokal eingerichtet. Dort bestand für alle Mitglieder aus den drei Ortsvereinen die Gelegenheit, ihre Stimme für einen der drei Bewerber um den SPD-Vorsitz abzugeben.

Unter großer Bürgerbeteiligung stellte Prof. Dr. Wermuth am 13.11.2001 den Verkehrsentwicklungsplan und deren Auswirkungen auf Volkmarode/Dibbesdorf/Schapen/ vor. Insbesondere kontrovers diskutiert wurde über das Thema „Stadtbahn Volkmarode“, das die SPD-Fraktionen seit Mitte der 1970er Jahre beschäftigt. In diesem Zeitraum veranstaltete der Ortsverein zahlreiche öffentliche Veranstaltungen, Diskussionsabende zu diesem Thema mit großer Bürgerbeteiligung.

Mit einem Fotowettbewerb beteiligte sich der Ortsverein an der 850 Jahr Feier von Volkmarode im Jahr 2004. Seit 2008 ist der monatliche „Rote Stammtisch“ der Volkmaroder Sozialdemokraten zu einer festen poltischen Institution in Volkmarode geworden, er befasst sich mit aktuellen politischen Themen, als auch mit der aktuellen Politik vor Ort. Der „Rote Stammtisch“ findet regelmäßig am 1. Dienstag im Monat statt.

Mit einem Festakt feierte der Ortsverein Volkmarode am 12.10.2010 seinen 100. Geburtstag. Zu den Jubiläumsgästen zählten u.a. Dr. Carola Reimann, Hubertus Heil und Manfred Pesditschek. Nach kurzen Grußworten und einem kurzen Überblick auf die bewegte Geschichte des Ortsvereines, ließ man den Abend mit einem gemütlichen Beisammensein ausklingen.

Heinrich Grupe (* 1899 – † 1976 )

Heinrich Grupe wurde am 24.09.1899 in Braunschweig geboren. Im Jahre 1907 verzogen die Eltern nach Volkmarode. Nach dem Besuch der Volksschule trat Grupe 1916 in die Lehre als Glasschleifer bei der Firma Voigtländer bei. Schon 1917 musste er Soldat werden. In Frankreich geriet er 1918 in englische Gefangenschaft, aus der er 1919 in die Heimat zurückkehrte. Beeindruckt von den Geschehnissen des 1.Weltkrieges und der Nachkriegszeit trat er am 10.04.1919 in die SPD ein und wurde gleichzeitig auch Mitglied der IG Metall. Grupe stellte sich für die kommunale Arbeit zur Verfügung und wurde 1928 Ratsherr der Gemeinde Volkmarode. Zwangsweise mußte er dieses Amt 1933 wie auch die Leitung des Sportvereines wegen seiner Zugehörigkeit zur SPD niederlegen. 1945 wurde er von der britischen Militärregierung beauftragt, die SPD neu zu gründen und lenkte die Geschicke mehrere Jahre als Ortsvereinsvorsitzender. Insbesondere half er bei der Aufnahme von Flüchtlingen und ausgebombten Mitbürgern, um die Wohnsituation erträglich und möglichst gerecht zu gestalten. Seine Amtszeit war geprägt von dem Aufbau der notwendigen Infrastrukturen nach dem 2. Weltkrieg. In der Zeit von 1948 – 1968, als er das Bürgermeisteramt bekleidete, wuchs die Einwohnerzahl von Volkmarode von ca. 1000 auf über 3000 Einwohner. Während seiner Amtszeit wurden die notwendigen Infrastrukturen geschaffen, wie z.B. Straßenbau, Neubau und Erweiterung des Versorgungsnetzes, Schul- und Kindergartenneubauten, Erweiterung des Friedhofes u.v.a.m. Dass sich nach der Eingemeindung 1974 nie die Atmosphäre einer anonymen Stadtrandsiedlung verbreitete, ist insbesondere dem kommunalpolitischen Wirken von Heinrich Grupe zu verdanken. Aufgeschlossen für alle sportlichen und kulturellen Belange war Heinrich Grupe viele Jahre 1. Vorsitzender des Sportvereines SC Rot-Weiß Volkmarode. Er scheute sich nicht, die erforderlichen Mittel für eine Sportanlage auch durch Haussammlungen persönlich von den Einwohnern zu erbitten. Am 15.02.1970 wurden ihm, aufgrund einer Initiative des SPD-Ortsvereines in einer Feierstunde die Ehrenbürgerrechte verliehen. Aufgrund seiner Verdienste für das Vereinswesen wurde er zum Ehrenvorsitzenden des Sportvereines ernannt und Ehrenmitglied im Schützenverein. Heinrich Grupe verstarb im Jahr 1976 in Volkmarode, das Sportheim am Seikenkamp trug bis zum März 2011 noch seinen Namen.